Passend zum Artikel zum Wochenbett beim zweiten Kind fragte eine Leserin, ob es sinnvoll sei, das ältere Geschwisterkind nach der Geburt weiter in die Kita gehen oder es besser eine Weile zu Hause zu lassen. Von den Kitaerzieher:innen selbst hatte sie bisher nur widersprüchliche Empfehlungen bekommen.

Als Nichtpädagogin werde ich hier sicherlich auch nicht das Patentrezept liefern, aber als Hebamme bin ich ebenfalls häufig mit dieser Fragestellung konfrontiert. Und natürlich haben wir uns auch einst als wieder werdende Eltern diese Frage gestellt.

Wie bei der ganzen Diskussion um das Thema „Fremdbetreuung“ ist es wohl am wichtigsten, dass die Betreuungsqualität stimmt. Das heißt zum einen, dass es einen angemessenen Betreuungsschlüssel gibt. Und dass das Kind eine gute Bindung zu seinen Erzieher:innen aufbauen konnte. Das ist die wichtigste Grundlage für eine gute Betreuung auch außerhalb der Familie.

Wertvolle Ressource im Familienalltag

Gerade für sehr kleine Kinder sind weder das Spielzeugangebot, der große Garten, das Frühförderangebot oder auch die anderen Kinder am wichtigsten, sondern einzig und allein das Verhältnis zur primären Bezugsperson. Jener Person, mit der es im Kitalltag seine glücklichen, aber auch mal traurigen Momente teilt. Eine oder mehrere Personen, die verlässlich da sind, wenn es Unterstützung oder Trost braucht. Wenn dies gegeben ist, kann das sogar eine sehr wertvolle Ressource sein im anfangs trubeligen Familienalltag nach dem Einzug des neuen Babys.

Denn während zu Hause so manche Dinge plötzlich anders sind, bleibt im Kitaalltag alles beim alten. Und auch die Position des Kindes ändert sich hier nicht. Das kleine Kind ist und bleibt hier das kleine Kind, während zu Hause das Baby die bisherige Rolle des kleinsten Familienmitgliedes übernimmt.

Es braucht ein Dorf…

Erzieher:innen wissen um die Nöte frisch gebackener Geschwisterkinder und können diesen Prozess der familiären Neuaufstellung liebevoll mit begleiten. Trotzdem tut es vielen „großen“ Geschwistern in dieser Zeit gut, wenn sie etwas früher abgeholt werden oder vielleicht auch mal zwischendurch einen Tag ganz zu Hause bleiben.

Wenn die Betreuungsqualität stimmt, ist es also sicher nicht notwendig, das Kind ganz aus der Kita zu nehmen. Denn schließlich heißt es ja auch für die Eltern, somit zu etwas Exklusivzeit mit dem Baby zu kommen oder einfach Schlaf nachholen zu können. Das wiederum sorgt dafür, dass man dann die gemeinsam am Nachmittag verbrachte Zeit auch qualitativ besser nutzen kann, als wenn die Eltern völlig gerädert sind.

Es ist von Natur aus ja auch nicht vorgesehen, dass wir unsere kleinen und großen Kinder ganz alleine beim Aufwachsen begleiten. Im besten Fall erweitert die Kita die familiäre Kinderbetreuung, so wie das im „Normalfall“ Großeltern, Tanten, Cousinen oder wirklich gute Freunde machen würden. Heute haben aber die wenigsten Eltern diese stabilen familiären Netzwerke, die gerade eine Wochenbettzeit so gut unterstützen könnten. Nicht ungerechtfertigt sagt ein afrikanisches Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.“

Gleiche Abläufe geben Sicherheit

Deshalb ist es sicherlich kein in die Kita abschieben, wenn das große Geschwisterkind auch in der ersten Babyzeit weiterhin den Kindergarten besucht. Natürlich sollte man in dieser Phase – wie aber auch sonst- genau hinschauen, wie es dem Kind geht und den außerfamiliären Betreuungsrahmen entsprechend anpassen. Die regelmäßige Rücksprache mit den Erzieher:innen ist eine gute Unterstützung, um das richtige Betreuungsmaß in familiären Umbruchphasen zu finden.

Nicht besonders sinnvoll ist es übrigens, wenn die Kitaeingewöhnung ausgerechnet in die allererste Babyzeit fällt. Kinder sind nach der Geburt eines Geschwisterchens mit allzu großen zusätzlichen Veränderungen im bisherigen Tagesablauf schnell überfordert. Gleichbleibende Abläufe geben ihnen in dieser turbulenten Lebensphase ein Stück Sicherheit. Wenn es sich also um eine gewohnte, liebevolle, außerhäusige Betreuung durch andere Bezugspersonen des Kindes und nicht um eine „Fremdbetreuung“ handelt, spricht vieles dafür, das große Kind weiter in die Kita gehen zu lassen.

Auch die Betreuung durch schon vertraute Babysitter:innen ist für viele Familien eine gute Unterstützung, da diese Betreuung ja auch in den eigenen vier Wänden stattfinden kann. Ob  Kitapersonal, Großeltern oder andere liebevolle Bezugspersonen: auch oder gerade im Wochenbett ist ein erweitertes Betreuungsnetzwerk eine wichtige und wertvolle Ressource für die sich gerade vergrößerte Familie.

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Kommentare

5 Antworten zu „Kitapause im Wochenbett?“

  1. K
    katja

    wir haben es unserem „großen“ (gute 3 jahre als der „kleine“ kam) selbst überlassen, zu entscheiden, ob er denn an dem jeweiligen tag gehen möchte oder nicht. am anfang wollte er nicht, aber nach ein paar tagen sehnte er sich glaube ich nach seiner babyfreien zone.

  2. T
    Theresa

    Liebe Anja, vielen Dank für den Artikel! Und Wolldrache, das mit den Möbeln ist eine gute Idee, ich werde dieses Wochenende schon mal anfangen, das Kinderzimmer umzuräumen.

  3. A
    Anna

    Den Kommentar hab ich neulich auch gelesen und drüber nachgedacht, schön, dass ein Artikel draus geworden ist! Das Thema ist bei mir zwar grad nicht aktuell, aber auch das „obiter dictum“ bestätigt mir einige Dinge, die ich so zu lesen gehofft habe. Gruß

  4. M

    Finde ich alles richtig so. Wir haben darauf geachtet, dass der gewohnte Tagesablauf genauso blieb.
    Ich brauchte nach dem Kaiserschnitt unbedingt Exklusivzeit für mich, besonders auch, da der Mann sofort wieder arbeiten mußte. Wenn die Betreuungssituation gut ist, und dafür würde ich ohnehin sorgen, nicht nur wegen einer zweiten Schwangerschaft, kann das große Kinder doch weiterhin in Betreuung gehen.
    Die gemeinsame Zeit kann dann umso mehr genossen werden und dann auch auf Kosten des großen Kindes.

  5. W
    wolldrache

    Klasse Artikel!
    ich sehe das mit dem gewohnten Tagesablauf genauso, es ändert sich schon so viel mit dem Baby.

    Wir sind sogar soweit gegangen, dass wir wohnliche Veränderungen (Möbel umstellen, und den Umzug ins neue Bett, damit das kleine für das Geschwisterchen frei wird) auch rund 3 Monate vor den Geburtstermin gezogen haben, damit sich der Große daran schon gewöhnt und nicht alles auf einmal kommt … .

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