Ein Kleinkind tragen

Ein Baby auf dem Arm zu halten, es in einem Tragetuch oder der Babytrage zu tragen, erscheint uns selbstverständlich. Schließlich kann es sich noch nicht selbst fortbewegen. Viele Eltern warten sehnsüchtig auf die ersten Schritte des Kindes. Sie forcieren den Beginn des Laufens sogar, indem das Kind an den ausgestreckten Armen zum Laufen angehalten wird.

Sobald das Kind dann selbständig laufen kann, werden die ersten Schuhe gekauft und es wird erwartet, dass das Kind nun auch immer mehr läuft. Das ist doch verwöhnen, wenn es jetzt noch getragen wird? Ein Erziehungsfehler, wenn wir nachgeben und das Kind auf den Arm nehmen, weil es nicht laufen möchte? Wie lange dürfen Kinder eigentlich getragen werden?

Wann Kinder mit dem Laufen beginnen, ist höchst unterschiedlich. Manche machen die ersten selbständigen Schritte mit zehn Monaten oder noch früher, manche Kinder erst mit 18 Monaten oder später. Auch die anderen Arten der Fortbewegung unterscheiden sich von Kind zu Kind stark. Sie können selbst bei Geschwistern höchst unterschiedlich sein.

Unterschiedliche Bewegungsentwicklung

Einige Kinder rollen ausgiebig seitwärts, andere Kinder rutschen oder schieben sich, viele krabbeln und robben. Wichtig ist, dass Eltern ihren Kindern den Raum geben, die aktuelle Fortbewegung ausprobieren und erlernen zu können. Das bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes, dass die Kinder überhaupt den Platz und die Möglichkeit haben, sich zu bewegen. Auch ist es wichtig, dem Kind die Möglichkeit zu geben, selbständig die Fortbewegung zu erlernen.

Gesunde Babys und Kleinkinder müssen nicht dazu angehalten werden, ihre Grobmotorik schneller auszubauen. Sie müssen nicht an den nach oben ausgestreckten Händen geführt werden, um das Laufen zu erlernen. Viele Physiotherapeut*innen raten sogar von solchen Eingriffen ab.

Wenn das Kind eine diagnostizierte Entwicklungsverzögerung oder Behinderung aufweist, erhalten Eltern in der Regel von Fachpersonen wie Ärzt*innen oder Ergo- oder Physiotherapeut*innen konkrete Anregungen zur Unterstützung der Bewegungsentwicklung. Jenseits davon können Eltern auf die natürliche Bewegungsentwicklung vertrauen.

Vertrauen in die Signale des Kindes

Dieses Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes ist wichtig, weil es so das Gefühl von Selbstwirksamkeit ausbauen kann: Ich kann mich selbständig fortbewegen, ich erreiche ein Ziel. Beobachten wir Kinder, die eine neue Fähigkeit ausprobieren, können wir die Begeisterung oft in ihren Gesichtern sehen oder die Freude daran ihren Lauten entnehmen. Dieses Vertrauen auszubauen ist aber auch deswegen wichtig, weil es uns in etwas anderem stärken kann. Nämlich darauf zu vertrauen, dass das Kind uns ein Signal gibt, wenn es Hilfe braucht oder erschöpft ist.

Signalisiert das Baby oder Kleinkind, dass es nun nicht mehr laufen möchte, ist das ein Signal, mit dem wir umgehen sollten. Wie beim Schlafen oder Essen ist es keineswegs ein Machtkampf, wenn das Kind auf einmal Hilfe einfordert oder ein Stoppsignal zeigt. Eine sichere Beziehung basiert darauf, dass das Kind Bedürfnisse ausdrückt, Eltern diese Signale wahrnehmen, richtig interpretieren und passend darauf reagieren. So gewinnt das Kind Sicherheit und Vertrauen.

Reagiert der Elternteil passend, wird das Bedürfnis befriedigt, ist das Kind zufrieden. Diese Zufriedenheit wiederum bewirkt bei der Bezugsperson, dass sie ein Gefühl von Selbstwirksamkeit hat: “Ich kann die Bedürfnisse meines Kindes verstehen und beantworten, ich mach diese Elternsache ganz gut.” Wenn das Elternteil hingegen denkt, dass das Kind das nicht wirklich ernst meint, sondern nur ein Machtspiel spielt und dementsprechend nicht passend reagiert, fühlt sich das Kind nicht verstanden. Und es kann zu einem Konflikt kommen.

Kinder fordern Pausen oder Nähe ein

Es ist also wichtig, dass wir auf ein erschöpftes Kind passend reagieren. Manchmal stehen auch unsere eigenen Fähigkeiten in Konflikt mit dem Kind. Vielleicht ist heute nicht ausreichend Kraft vorhanden, um das Kind noch zu tragen. Oder der Einkauf ist schon schwer genug. Dem Kleinkind können wir erklären: “Ich verstehe, dass du nicht mehr laufen möchtest. Heute habe ich nicht so viel Kraft. Kannst du noch bis dort zur Laterne laufen, dann trage ich dich ein Stück?”

Sinnvoll ist es prinzipiell, dass wir im Blick behalten, dass die Kräfte des Kindes auch auf einer für uns normalen Strecke erschöpft sein können. Gerade bei Kleinkindern kommt es vor, dass sie eine Pause der Erkundung brauchen und Nähe einfordern: Das Laufen und die damit verbundenen Erfahrungen – beispielsweise was es alles auf dieser Ebene sieht, wie sich das Laufen anfühlt – sind noch neu für das Kind.

Erkundung und Nähe wechseln sich bei Kindern jeden Tag viele Male beständig ab. Nachdem es etwas erkundet hat, sucht es erst einmal wieder Nähe, um dann wieder zu einem Abenteuer aufzubrechen. Deswegen lohnt es sich, eine Alternative dabei zu haben, solange die Kinder noch klein sind. Das kann entweder der Kinderwagen/Buggy sein, oder eine passende Tragehilfe.

Tragehilfen für Kleinkinder

Tragehilfen für Kleinkinder können eine große Unterstützung im Alltag sein, weil sie sich einfach mitnehmen lassen und die kleine Pause zwischendurch bieten. Viele Anbieter von Tragehilfen stellen speziell auch Tragehilfen für Kleinkinder her. Besonders der Onbohimo oder ein Ringsling sind eine einfache Hilfe, weil sie platzsparend mitgenommen und einfach angelegt werden können.

Wichtig beim Tragen in der Baby- und Kleinkindzeit ist nicht nur, dass sich das Kind wohl fühlt. Das Tragen muss auch angenehm für die tragende Person sein. Deswegen sollte es vermieden werden, zu kleine oder ungemütliche Tragen zu benutzen. Eine Trageberatung kann hier hilfreich sein, um ein geeignetes, gemütliches und passendes Modell zu finden.

Denn klar ist: Das Tragen des Kindes hat kein Ablaufdatum. Wir können erschöpfte und müde Kinder auch noch mit zwei, drei, vier, fünf und mehr Jahren (solange unsere Kräfte das zulassen) auf die Schultern, den Rücken oder die Hüfte nehmen. So kann man ihnen signalisieren, dass es in Ordnung ist, erschöpft zu sein. Und man sich als sichere Bezugsperson um das Wohlergehen des Kindes kümmert. 

Weitere Artikel von Susanne Mierau findet ihr auf Ihrem Blog „Geborgen Wachsen“.

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