Kleine Kinder – kleine Sorgen?

Wenn ich nicht Hebamme wäre, hätte ich es vielleicht schon in Teilen vergessen: Wie groß die Sorgen sein können, die Eltern kleiner Kinder so spüren. Denn in meinem privaten Alltag begleite ich als Mutter gerade unsere vier Kinder zwischen erster und 13. Klasse durch ihr Leben als Schulkinder. Deren Sorgen und Probleme lassen sich nicht mehr einfach wegkuscheln. Oder lösen, indem das Wasserglas in der gewünschten Farbe auf den Tisch kommt. Die Zeiten, in denen Tragen oder Stillen fast immer half, sind längst vorbei.

Rückwirkend kommen vielen Eltern die Probleme aus Baby- und Kleinkindzeiten oft klein vor. Das liegt zum einen daran, dass wir Menschen selektiv vergessen. Durch die bewusst ausgewählt schönen, in Bildern festgehaltenen Erinnerungen kommt uns die Vergangenheit rückblickend nicht mehr „so schlimm“ vor.

All die Probleme von damals haben wir bereits gelöst. Oder manchmal auch einfach die schwere Zeiten nur „überlebt“. Die Sorgen, die dann mit älteren Kindern in den Alltag treten, erscheinen ungleich größer. Zum einen, weil bisher bewährte Strategien nicht mehr funktionieren. Zum anderen, weil wir hierfür eben noch keine Lösung gefunden haben.

Angst vor Verurteilung

Was parallel dazu – leider – auch weniger wird, ist der ehrliche Austausch von Eltern untereinander. So viele Familien reiben sich zwischen Schulsorgen, Geschwisterstreitigkeiten und Pubertätsproblemen auf. Geredet aber wird darüber mit befreundeten Eltern viel weniger als über den Babyeltern-Schlafmangel oder die Herausforderungen der Autonomiephase.

Die neuen „größeren“ Probleme erscheinen uns Eltern komplexer und individueller. Vielleicht ist auch die Angst der Verurteilung durch andere oftmals größer. Denn dass wir als Eltern „an allem schuld“ sind, ist uns längst bekannt. Gelingt aber ein ehrlicher Austausch mit anderen Eltern, wird schnell deutlich, wie ähnlich die Herausforderungen und Belastungen auch im Elternalltag mit größeren Kindern sind.

Der bekannte Spruch „Kleine Kinder, kleine Sorgen. Große Kinder, große Sorgen.“ bestätigt unsere Annahme, dass alles eher schwerer und schwieriger wird. Aber ich sehe Tag für Tag in meiner Arbeit als Hebamme die Sorgen und Nöte junger Eltern zwischen Übermüdung, Stillproblemen und Wachstumsschmerzen. Sehe ihre Tränen zwischen Glück und Verzweiflung.

Individuelle Lösungen finden

Ratlosigkeit und Überforderung sind immer wieder Begleiter im Elternalltag, völlig unabhängig vom Alter der Kinder. Es ist nicht immer die Dimension des Problems. Es sind die Gefühle dazu, die es mehr oder weniger schwer für uns machen. Emotional gefordert werden wir als Eltern eines Babys ebenso wie als Eltern eines Schulkindes.

Vieles mag einem als erfahreneres Elternteil rückblickend gar nicht mehr „so wild“ vorkommen. Aber es sind dennoch absolut keine kleinen Sorgen, die Neueltern beschäftigen. Im Hebammenalltag bewerte ich nicht, was Eltern gerade beschäftigt. Ich schaue mit ihnen nach individuellen Lösungen im Einklang mit ihren ebenso individuellen Ressourcen. Und manchmal ist die „Lösung“ auch einfach nur ein Zuhören, Anerkennen der Situation und ein Bestärken der elterlichen Kompetenzen.

Letztlich ist es auch genau das, was ich mir als Mutter wünsche, wenn ich jemanden von meinen kleinen und großen Sorgen bezüglich meiner „großen“ Kinder erzähle. Dass jemand zuhört, anerkennt, bestärkt. Darum lasst uns die „Kleine Kinder, kleine Sorgen…“- Phrase streichen. Und stattdessen anerkennen, dass es ganz schön viel und bewundernswert ist, was wir Eltern jeden Tag mit kleinen und großen Kindern bewältigen.

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