Weinende Babys brauchen Begleitung

“Lass dein Baby nicht weinen” … das hören viele Eltern glücklicherweise mittlerweile oft als Rat. Der Satz hat das früher gebräuchliche “Schreien stärkt die Lungen” oder “Wenn du es immer beruhigst, verwöhnst du es” abgelöst. Babys sollten nie allein weinen müssen. Sie lernen auch nichts Negatives, wenn ihre Bezugspersonen ihr weinendes Baby immer wieder trösten und begleiten.

Im Gegenteil: Durch die beständige Beruhigung der Bezugspersonen bei Stress und Angst stärkt sich das Vertrauen in die Eltern. Es bildet sich die Basis für eine sichere Bindungsbeziehung. Gleichermaßen lernen Eltern ihr Baby zu lesen und feinfühlig zu reagieren. Und sie gewinnen zunehmend mehr Vertrauen in ihre eigenen elterlichen Fähigkeiten.

Feinfühligkeit hat im Bindungsaufbau eine herausragende Funktion. In Bezug auf die Interaktion zwischen Elternteil und Kind meint “Feinfühligkeit”, dass die Signale des Babys wahrgenommen, richtig interpretiert und dann angemessen beantwortet werden.  

Wendet das weinende Baby beispielsweise den Kopf suchend hin und her, öffnet den Mund und saugt an der eigenen Hand, ist das ein Anzeichen für Hunger. Als Mutter oder Vater  weißt du nun: Mein Baby braucht Nahrung und bietest diese entsprechend nach Bedarf an. Du befriedigst dadurch das Nahrungsbedürfnis des Babys. Es fühlt sich wohl und weiß, dass es sicher umsorgt ist.

Einschlafen und Aufwachen begleiten

Ein anderes Beispiel: Wacht es nach dem Schlafen auf und nimmt keine Bezugsperson in der Nähe wahr, macht es durch Schreien und Weinen auf sich aufmerksam. Die Nähe zu einer Bezugsperson ist nämlich ebenso ein Bedürfnis des Kindes, da sie Sicherheit und Versorgung signalisiert. Verlassensein stellt derweil eine Gefahr für das Baby dar. Es ist noch auf die Versorgung durch andere angewiesen ist.

Deswegen ist es so wichtig, Babys zum Einschlafen und nachts nicht allein schreien zu lassen. Sie haben sonst das Gefühl einer nicht ausreichenden Versorgung. Das Weinen stellen sie irgendwann nur deswegen ein, um weitere Energie zu sparen und nicht, weil sie keine Angst mehr haben.  

Nähe und Zuwendung für weinendes Baby

Die Einstimmung aufeinander braucht allerdings etwas Zeit. Anfangs können viele Eltern die Signale ihres Kindes noch nicht eindeutig einem Bedürfnis zuordnen. Oder wissen manchmal auch noch nicht, wie sie das Bedürfnis richtig beantworten können. Sie müsse das Temperament des Kindes erst richtig kennenlernen.

Schon Babys unterscheiden sich in Bezug darauf, wie schnell sie durch unterschiedliche Reize erregbar sind, wie schnell sie reagieren und welche Art von Beruhigung sie brauchen. Und auch dadurch, wie lange sie für diese Beruhigung brauchen.

Es kommt also gerade am Anfang, aber auch zwischendurch zu Situationen, in denen nicht gleich die richtige Lösung parat ist. Aber auch das ist okay und das Bindungssystem auch darauf eingestellt. Wichtig ist, dass die Bezugsperson in solchen Situationen Anteil an der Situation nimmt. Sie sollte versuchen, ihr weinendes Baby durch Nähe und Zuwendung zu beruhigen. 

Wenn sich das weinende Baby nicht beruhigen lässt

Was aber, wenn das Baby weint und sich nicht schnell beruhigen lässt? Ist das auch so schlecht, wie das eingangs beschriebene Weinenlassen? Das Weinen des Babys ist ein besonders starkes Signal an seine Bezugsperson(en). Viele Babys machen zunächst mit leichteren Signalen auf ein Bedürfnis aufmerksam. Hunger signalisieren sie durch Suchzeichen des Mundes oder Saugen an den Fäusten.

Sie zeigen, dass sie Beruhigung brauchen, wenn sie versuchen, sich zu zentrieren durch das Anziehen der Beine und Zusammenbringen der Füße. Sie stoßen unterschiedliche Schreie und Geräusche aus, je nachdem, welches Unbehagen sie gerade haben: Hunger, Bauchschmerzen oder Müdigkeit.

Reagieren die Bezugspersonen nicht früh auf diese Signale, werden die Zeichen des Kindes stärker bis hin zum Weinen aus Unbehagen. Das Weinen aus Unbehagen ist aber nur eine Variation des Weinens. Babys weinen manchmal auch, um Spannungen und Stress abzubauen.  

Sicherheit durch Anwesenheit

Eltern sollten daher nicht versuchen, das Weinen des Babys um jeden Preis abzustellen. See sollten im Falle einer konkreten Ursache des Weinens eben genau diese beseitigen. Und ansonsten das Baby im Weinen begleiten, ihm Sicherheit durch Anwesenheit und Verständnis entgegenbringen.

Durch eine Begleitung des Weinens, auch wenn sich die konkrete Ursache vielleicht nicht finden lässt, stärkt sich das Vertrauen in die regulierende Bezugsperson. Und das Kind lernt, dass es mit seinen Gefühlen einen sicheren Hafen hat, den es immer anlaufen kann, wenn es dies benötigt. Das Weinen eines Babys, das die Eltern nicht gleich beruhigen können, ist also etwas anderes als “Schreienlassen” oder “Weinenlassen”. Und durch die Fürsorge und Begleitung, die dem Baby dennoch zukommt, hat es eine andere Wirkung auf das Kind, aber auch die Beziehung. 

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